FELD-Forschung 1: Besuch einer solidarischen Landwirtschaft

 

Hi, ich bin Mara! 

Community Supported Agriculture? Hast du schon einmal davon gehört? Ich lade dich heute ein, gedanklich mit mir einen Ausflug zur solidarischen Landwirtschaft Gela Ochsenherz in Niederösterreich (hier) zu machen. Wir werfen einen Blick hinter die Produktion von biologisch-dynamischen Gemüse- und Obstsorten. Außerdem wirst du überrascht sein, hinter welchen Ecken und Kanten sich die Sustainable Development Goals (SDGs) überall verstecken.

 

Der frühe Vogel fängt den Wurm – klimafreundlich unterwegs

Es ist 6 Uhr früh. Ich schlafe in meiner Wohnung in Wien, als mein Wecker läutet. Es fällt mir an diesem Morgen im Jänner 2023 gar nicht so leicht, aus meinem Bett hinaus zu kommen. Doch die Vorfreude auf den Tag überwiegt und ich stehe auf. Ich ziehe extra mein „Ochsenherzgewand“ an. Ja, ich habe seit längerem meine eigene Kleidung, die dreckig werden darf. Die ziehe ich jedes Mal an, wenn ich meine Dienste bei Gela Ochsenherz antrete. Nunmehr seit rund drei Jahren. Und ich bekomme es ehrlicherweise nicht mehr ganz sauber – ist aber auch egal. Kurze Zeit später sitze ich in der Schnellbahn S1 in Richtung Gänserndorf, nahe Wien. Die Freude, endlich ins Grüne zu kommen, übersteigt letztlich die Müdigkeit und allmählich komme ich auf Betriebstemperatur. Da der Weg vom Bahnhof zu Gela Ochsenherz zu Fuß mühsam ist, stehen an der Station „Silberwald“ Leihräder für Mitarbeiter*innen bereit. So können wir auch die letzten Meter zum Hof auf klimafreundlichen Weg zurückzulegen.

 

 

Verbunden mit den Sustainable Development Goals

Während die Sonne aufgeht und ich in mitten der Getreidefelder radle, denke ich über das SDG 12 „Nachhaltiger Konsum und Produktion“ nach. Wie oft wir überhaupt nicht wissen, wer die Lebensmittel, die Zuhause auf den Teller kommen, eigentlich produziert hat. Und wie sehr ich mich jedes einzelne Mal freue, mein selbst geerntetes Gemüse mit nach Hause zu nehmen und zu verkochen. Hat es doch plötzlich einen ganz anderen Wert, wenn man weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt. Gela Ochsenherz versorgt außerdem rund 300 Haushalte in Wien und Umgebung mit Gemüse, das ist eine ganz schöne Menge, wenn man händisch erntet. Das Besondere an dem Verein ist, dass die Ernteteiler*innen sich immer für ein Jahr dazu verpflichten, einen Gemüseanteil zu übernehmen und somit den Betrieb und das Personal finanziell vor klima- oder umweltbedingten Ernteausfällen sichern. So stelle ich mir  menschenwürdige und nachhaltige Arbeitsplätze (SDG 8) vor!

 

Auf die Plätze, fertig, los!

Schließlich bin ich am Hof angekommen. Noch kurz alle begrüßen und eine Tasse Kaffee trinken, dann geht es schon los auf das Feld. Trotz des sonnigen Wetters an diesem Donnerstag im Jänner, ziehe ich mir noch schnell eine Überhose an. So wird mir beim Arbeiten am Feld nicht so schnell kalt. Du fragst dich jetzt vielleicht, was nun im Winter im Gartenbau überhaupt gemacht werden kann bzw. was gerade wächst. So viel kann ich dir zumindest schon verraten: Mehr, als du möglicherweise denkst. Im Dezember muss der Anbauplan für das ganze folgende Jahr erstellt werden. Zusätzlich findet eine Saatgutinventur findet statt, bei der ermittelt wird, wie viel von was da ist, wie gut welche Sorten funktioniert haben und noch vieles mehr. Und das, bei über 70 verschiedenen Gemüsesorten!

 

Im Winter ist am Hof einiges los

Aber zurück zu meiner heutigen Feldarbeit. Es werden Wintersalate gesät. Das sind die letzten der Saison. Vorsichtig wird Erde in die Behälter verteilt, die Saat darüber gestreut und dann noch einmal eine Schicht Erde über die Samen gesiebt. Später müssen sie noch ordentlich gegossen werden. Das SDG 2 „Kein Hunger“ kommt mir in den Kopf und ich bin dankbar, lernen zu dürfen, wie man Gemüse anbaut, pflegt und erntet. Es ist so wichtig, spezifisch-regionales landwirtschaftliches Wissen nicht verloren gehen zu lassen. Es ist es Wert, es an andere weiterzugeben. Ein anderer Teil der Arbeit im Winter ist es, die Menge der gelagerten Ernte, die diese Woche verteilt wird, zu sortieren und zu putzen. So können wir Karotten, Rüben, Sellerie und anderes Gemüse auch noch bis in den Frühling hinein genießen. Übers Jahr gesehen gefällt mir die Abwechslung an anfallenden Tätigkeiten sehr gut. Einerseits gibt es die sehr körperlich anstrengenden und langen Sommertage, in denen einem das Gemüse oft wortwörtlich über den Kopf wächst. Und andererseits kommen die ruhigeren Wintermonate, in denen viele logistische Arbeiten und Aufgaben, die mehr Fingerspitzengefühl verlangen, anfallen. So fange ich heute also damit an, Radicchio und Chinakohl von ihren schon welken äußeren Blättern zu befreien. Ich arbeite mich so weit vor, bis ich vor lauter Salatblättern kaum mehr den Boden sehe.

 

Wohlverdiente Mittagspause – Essen ist fertig

Es ist Mittagszeit. Langsam knurrt mir der Magen und ich freue mich riesig, als der lang ersehnte Anruf aus der Küche kommt, dass das Essen fertig sei. Noch schnell die letzten Salatköpfe in die Kiste packen und ab zum Mittagessen. Das Mittagessen wird übrigens von einer der Mitarbeiter*innen für alle anderen zubereitet. Wie immer duftet es herrlich und ich bin wieder einmal überwältigt, wie hungrig man vom Arbeiten im Freien sein kann. Ich genieße die Pause und lasse meinen Blick über das Feld gleiten. Die 11 ha schauen im ersten Moment ganz überschaubar aus. Muss ich dann aber von dem einem ans andere Ende des Feldes gelangen, ist es ein ganz schöner Fußmarsch. Puh! Deshalb ab aufs Rad, denn damit gelange ich auch am Feld schneller von A nach B. Der Nachmittag vergeht schnell, wir pflücken Salate aus den Folientunneln. Dort werden die jungen Pflänzchen wie im Glashaus vor Frost geschützt. Danach wird alles gewaschen und in den Lieferwagen eingeschlichtet. Der bringt das Gemüse am nächsten Tag zum Wiener Naschmarkt, wo der Ernteanteil dann von den Mitgliedern abgeholt werden kann. Während die Sonne langsam verschwindet, werden die letzten Handgriffe erledigt. 

 

Ein kleiner Beitrag zum großen Ganzen

Nach längerem Einräumen ist der Bus dann nun endlich voll. Zufrieden schlendern wir – also meine Kolleg*innen und ich – zur Garderobe zurück. Wir lassen Jacken und Überhosen dort und packen unsere Rucksäcke. Manche von uns fahren nach Gänserndorf, wo sie wohnen. Für vier von uns geht es mit den Rädern gemeinsam wieder zurück zum Bahnhof in „Silberwald“ und dann mit dem Zug nach Wien. Auf Wiedersehen Gela Ochsenherz! Gegen 18 Uhr bin ich schlussendlich wieder in meinen eigenen vier Wänden Zuhause. Als erstes springe ich unter die Dusche. Die habe ich mir nach dem heutigen Tag verdient, wie ich finde. Ich bin müde, aber auch erfüllt von den vielen positiven Erlebnissen. Es war ein langer und anstrengender, aber wunderbarer Tag. Und ich bin irgendwie stolz auf mich, einen kleinen Beitrag zum großen Ganzen geleistet zu haben - bisschen präziser: einen kleinen zu einer nachhaltigen Stadt, wie ich sie mir laut SDG 11 „Nachhaltige Stadt und Gemeinschaften“ vorstelle, geleistet zu haben. Das macht mich glücklich!  

 

Konnex zu den SDGs (Auswahl):

  • SDG 2: „Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“
    • Unterziel 2.3:  „Bis 2030 die landwirtschaftliche Produktivität und die Einkommen von kleinen Nahrungsmittelproduzenten, insbesondere von Frauen, Angehörigen indigener Völker, landwirtschaftlichen Familienbetrieben, Weidetierhaltern und Fischern, verdoppeln, unter anderem durch den sicheren und gleichberechtigten Zugang zu Grund und Boden, anderen Produktionsressourcen und Betriebsmitteln, Wissen, Finanzdienstleistungen, Märkten sowie Möglichkeiten für Wertschöpfung und außerlandwirtschaftliche Beschäftigung“
    • Unterziel 2.4: „Bis 2030 die Nachhaltigkeit der Systeme der Nahrungsmittelproduktion sicherstellen und resiliente landwirtschaftliche Methoden anwenden, die die Produktivität und den Ertrag steigern, zur Erhaltung der Ökosysteme beitragen, die Anpassungsfähigkeit an Klimaänderungen, extreme Wetterereignisse, Dürren, Überschwemmungen und andere Katastrophen erhöhen und die Flächen- und Bodenqualität schrittweise verbessern“
    • Unterziel 2.5: „Bis 2020 die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie Nutz- und Haustieren und ihren wildlebenden Artverwandten bewahren, unter anderem durch gut verwaltete und diversifizierte Saatgut- und Pflanzenbanken auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene, und den Zugang zu den Vorteilen aus der Nutzung der genetischen Ressourcen und des damit verbundenen traditionellen Wissens sowie die ausgewogene und gerechte Aufteilung dieser Vorteile fördern, wie auf internationaler Ebene vereinbart“
  • SDG 12: „Nachhaltige Konsum und Produktionsweisen“
    • 12.2: „Bis 2030 die nachhaltige Bewirtschaftung und effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen erreichen“

 

Hinweis: Die Serie "FELD-Forschung" ist eine Aktion des Instituts für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE) für den SDG-Nachhaltigkeitsblog www.zukunftsrezepte.at. In drei Teilen erkundet das IUFE-Team die solidarische Landwirtschaft Gela Ochsenherz in Gänserndorf (Niederösterreich). Beiträge der solidarischen Landwirtschaft zu der Erreichung von SDGs oder Gedanken und Visionen von Mitgliedern kannst du hier nachlesen: