Hallo beim 2. Wiener SDG-Stadtspaziergang!

Heute gehen wir vom Währinger Park im 18. Bezirk, durch den 19. Bezirk über den Donaukanal in den 20. Bezirk. Dabei widmen wir uns den SDGs 5 bis 8 (SDG 5: Chancengleicheit von Männern und Frauen | SDG 6: Sauberes Wasser | SDG 7: Ernerneuerbare Energien | SDG 8: Nachhaltige Wirtschaft und Arbeit).

 

Auf geht's.

Ich bin gerade im 18. Wiener Gemeindebezirk und habe wieder einmal Glück mit dem Wetter. Von den frühlingshaften Sonnenstrahlen werde ich gewärmt. Nachdem wir beim 1. SDG-Stadtspaziergang (hier) die Themen Armut und Hunger sowie Gesundheit und Bildung beleuchtet haben, möchte ich mich heute mit den nächsten SDGs beschäftigen. Das letzte Mal bin ich noch längere Zeit im Alten AKH hocken geblieben. Im Hof 8 am Campus der Uni Wien habe ich ein Zeiterl über Nachhaltige Entwicklung nachgedacht. Heutiges Ziel: 20. Bezirk, Wien-Brigittenau. Und los!

 

 

Skateboarden bringt mich zum Grübeln.

Ein Ollie hier. Ein Three Sixty da. Ich sehe gerade Skateboard-Tricks. Du weißt schon: Ein Three Sixty - eine 360 Grad Drehung des Boards um seine Längs- als auch Hochachse. Da kommt mir das SDG 5 "Geschlechtergleichheit" in den Sinn. Schon ein Wahnsinn, was sich die Boarders alles trauen. Ich bin verblüfft. Ich sitze im Währinger Park und komme ins Grübeln. Das Line Up ist schon recht (sehr) männlich besetzt. Nie im Leben würd ich mich da reinwagen. Nicht nur hier im Park. Auch jedes Mal wenn ich bei einer Arztpraxis vorbeikomme, denke ich über die Ungleichheiten zwischen Geschlechtern nach - eben in der Medizin und Gesundheitsvorsorge. Medizinisches Wissen beruht oft auf Basis von Erforschungen und Untersuchungen von Männerkörpern. Ob jede Therapie oder Verpackungsbeilage auch für Frauenkörper tatsächlich passt? Das würde mich interessieren. Da gäbe es jetzt eine ganze Menge an Ungleichheite zwischen Buben und Mädchen sowie Männern und Frauen zu hinterfragen - auf struktureller und inidivudeller Ebene. 

 

Von der Handtasche zum Equal Pay Day.

Mich kreuzt eine Frau mit roter Handtasche. Wow, was für ein sattes Rot. Plötzlich lässt mich ein Gedanke nicht mehr los: EPD! Was, EPD? Ja, genau: der EPD - der Equal Pay Day. Hilfe, Notruf, Mayday! Bei den Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern stellt es mir die Haare auf. Seit 2009 wird der Equal Pay Day für Österreich berechnet. Der liegt in diesem Jahr übrigens am 15. Februar 2022. Wow, OK jetzt wird's spooky. Arg! 15. Februar. Das ist ja genau der heutige Tag meines SDG-Stadtspaziergangs. Aktuell liegt die Einkommensdifferenz in Österreich im Durchschnitt bei 12,7 Prozent. Umgerechnet sind das rund 46 Arbeitstage, die Frauen hierzulande kostenlos arbeiten. Klar, das sollte sich schleunigst ändern! Wir brauchen Bewusstsein in unserer Geselleschaft. Dazu fallen mir gleich „let's talk equal“, wo es um Gender und Medien in Österreich geht, oder auch fantastische Poetry Slams mit einer gehörigen Portion Sozialkritik ein. Und dann sollten wir halt auch endlich mal vom Wissen ins Handeln kommen.

 

Ich muss mal für "kleine SpaziergängerInnen"

Ok. Kurze Pause. Jetzt hab ich echt Durst. Trinken hilft. Gut, dass ich gleich einen der über 1.100 Wiener Trinkbrunnen finde. Woher kommt da eigentlich das Trinkwasser? Erstaunlicherweise aus einer der zwei Hochquellwasserleitungen, die direkt vom Rax-/Schneeberggebirge beziehungsweise dem Hochschwabgebiet nach Wien verlegt sind. Verrückt und ziemlich genial, so frisches Wasser in einer fast 2-Millionen-Stadt jederzeit parat zu haben. Wasserhahn auf: beste Qualität, jederzeit. Wunderbar. Das kenne ich von meinen Reisen nur von den wenigsten Ländern auf unserer schönen Erde. Das SDG 6 „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“ lässt zumindest in Wien fast kein Verbesserungspotential offen. Wo schon die Rede davon ist, ich muss eigentlich mal für "kleine SpaziergängerInnen". Bin ich froh, dass gleich ein WC in Reichweite ist. Was mir generell beim Spazierengehen in Wien auffällt: relativ neue WC-Anlagen entlang meiner Wege. Da hat sich in den letzten paar Jahren einiges getan. Aber 50 Cent? Ist das tatsächlich fair? Fair für alle Menschen, die das natürlichste Bedürfnis haben, meine ich. Und schwupps, bin ich gedanklich bei den mobilen und nachhaltigen öKlos. Auch die sehe ich vermehrt im Stadtbild und bei Veranstaltungen. Warst du schon mal auf so einem öKlo? Das ist ein Ding! 

 

Von Malawi nach Wien-Spittelau. Künstlerisch. 

Also gut, ich bin wieder startklar. Weiter geht's. Raus aus dem Währinger Park. Schluss mit flanieren. Als ich über die Schrottenbachgasse zu den Gürtelbögen mit seinen unzähligen Lokalen komme, erinnere ich mich an ein richtig gutes Konzert. Bei diesem Konzert waren auch die Leute von Viva con Agua zur Stelle. Sie unterstützen mit dem eingesammelten Pfand Wasserprojekte. Zum Beispiel in Malawi. Richtig gute Idee, wie ich finde. Und so sympathisch. Positiver und konstruktiver Aktivismus eben. Wo wir gerade an Wasser denken. Du hast bestimmt schon mal vom Künstler, Friedensreich Hundertwasser, gehört. Oder? Dem begegne ich gleich. Also seiner Kunst begegne ich gleich. Weiter den Währinger, dann den Döblinger Gürtel, entlang bis zum Josef-Holaubek-Platz spaziert, eröffnet sich mir der Blick auf die Müllverbrennungsanlage Spittelau. Das ist schon ein echtes Kunstwerk diese Anlage. Wieder einmal schafft es Wien, recht unkonventionell Themen zu kombinieren. So erstrahlt hier das SDG 7 „Bezahlbare und saubere Energie“ in Form einer architektonischen Kuriosität. Positiv gemeint. Ach, dieser Friedensreich. Der wusste schon damals, was er tut und wie er für mehr Nachhaltigkeit in der Architektur sorgen konnte. Bäume am Dach. Bunte Farben an der Wand. Fießende Formen. OK, Kunst-Exkurs ende. Photovoltaik am Vormarsch, Windkraft besonders (un)beliebt? Ansichtssache. An sich ja schon ein Punkt, bei dem sich die Geister scheiden. Gibt es überhaupt wahrhaftig saubere Energie? Und bezahlbar? Ich hoffe, schon. Ich möchte zumindest daran glauben. 

 

Die Brücke zu Wirtschaft und Arbeit. 

Auf der autofreien Brücke rüber in den 20. Bezirk schlage ich auch die metaphorische Brücke zum SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“. Was ist eigenlich mit dem Wachstumsparadigma? Noch zeitgemäß, geschweige denn nachhaltig? Sollte am heutigen Punkt in unserer Geschichte überhaupt noch quantitativ gewachsen werden? Was ist mit qualitativem Wachstum? Wäre nicht Umverteilung eine bessere Lösung? Kreislaufwirtschaft? Und was ist mit menschenwürdiger Arbeit - in Österreich und global? Prekäre Arbeitsverhältnisse so weit das Auge reicht. Lieferketten, die definitiv sozial und ökologisch NOT nachhaltig sind. Wohlstand auf Kosten anderer Menschen und unseren natürlichen Lebensgrundlagen. Na super, jetzt drehe ich mich in einer negativen Gedankenspirale. Ich muss raus. Weltschmerz adé. Ich weiß, dass es nachhaltig geht. Wir brauchen eine zukunftstaugliche Wirtschaft, um die Zukunft tauglich zu schaffen. Innovative unternehmerische Lösungen, faire Arbeitsplätze und große Ideen zeigen mir das. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis kennen ich viele Personen, die daran arbeiten. Aus der Wissenschaft sind uns Lösungs- und Entwicklungspfade bekannt, die uns in eine nachhaltige Zukunft bringen. Hui. OK, jetzt erst mal durchatmen. 

 

Yeah, Zuversicht!

Na schau. Die Alte WU ist auch gleich da drüben. Die alte Wirtschaftsuniversität wird nach ihrem Umzug in den Wiener Prater gerade quasi recyclet. Da ist meines Wissens nach unter anderem die BOKU involviert. Auch eine Auffassung von Wirtschaft: Ressourcen wiederverwenden, in den Kreislauf rückführen. Cool. Urban Mining und Flächenrecycling finde ich ja total faszinierend. Wie können wir eigentlich von Wirtschaftswachstum und Gewinnmaximierung als oberste Prämisse sprechen, wenn damit augenscheinlich Mensch und Umwelt konsequent geschadet wird? Ein bisschen Hoffnung schöpfen in der Treustraße beim AMS? Da gibt es meines Wissens nach jetzt einen Algorithmus, der die arbeitssuchenden Menschen automatisch managen soll. Maschine Mensch? Menschliche Maschine? Na bumm, da wird im Zuge der Digitalisierung noch einiges auf uns zu kommen - sozial, ökologisch und wirtschaftlich. Kritisch beäugen darf man das freilich. Positive Beispiele wie etwa das Badeschiff oder die Vinzi Rast bringen mir da schon weit mehr Zuversicht. Yeah, Zuversicht! Immer her damit. Immer mehr damit.

 

Sonnenuntergang sitzend am Bankerl genießen.

Mit einem etwas bitteren Beigeschmack von all den Gedanken rund um die erlebten Eindrücke meines Spaziergangs sitze ich nun an der Brigittenauer Lände auf einer Bank beim Donaukanal. Vor mir sehe ich das fließende Wasser. Im Ohr habe ich den vorbeirauschenden Verkehrslärm. Den Wind in Wien möchte ich an der Stelle nicht vergessen. Ach ja, die Wasserqualität des Donaukanals war früher ein echter Graus - schmutzig und stinkend floss das Wasser in Richtung Erdberg und dann aus Wien heraus. Mit gezielten Maßnahmen hat man die Wasserqualität deutlich verbessern können. Da denke ich mir: Was nur alles möglich ist, um scheinbar unveränderliche Situationen zu verbessern! So wie damals das Waldsterben mit den FCKW. Verbessert! Schluss jetzt. Jetzt genieße ich erstmal den Sonnenuntergang an diesem 15. Februar 2022. Der "Spittelauer Kamin" erleuchtet langsam. Der Himmel wird allmählich dunkel. Ob die unter der goldenen Kugel versteckten Nistplätze für Turmfalken wohl gerade belegt sind? Hoffentlich. Nächstes Mal wird es wieder heiterer, versprochen! Danke fürs Dabeisein und gedankliche Mitgehen. Du liest von mir beim 3. Wiener SDG-Stadtspaziergang: hier. Bis bald. Ich freue mich auf dich! 

 

Hinweis: Die Serie "Wiener SDG-Stadtspaziergänge" ist eine Aktion des Instituts für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE) für den SDG-Nachhaltigkeitsblog www.zukunftsrezepte.at. In vier Stadtspaziergängen zeigt dir das IUFE-Team die verschiedenen SDGs in Österreichs Hauptstadt. Welche Themen, Gedanken und Handlungsmöglichkeiten in Wien im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu erkennen sind, kannst du nachlesen: