Wie nachhaltig muss ich leben?

Josefine Tacha über nachhaltiges Handeln zwischen Aktivismus und Kapitulation.

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Aller Anfang ist leicht

Hi, ich bin Josefine Tacha. Mit 15 Jahren nutzte ich die Fastenzeit vor Ostern um unbehelligt vom Abraten und „guten Ratschlägen“ der Familie auf Fleisch zu verzichten. Für mich hatte es keinerlei religiöse Hintergründe, aber bei Familienessen konnte ich mich praktischerweise mit dem Argument aus der Affäre ziehen, dass die Fastenzeit genau die richtige Zeit für Verzicht sei. Auslöser für die Idee war damals ein Artikel über den Wasserverbrauch in der Fleischproduktion. Weitere Artikel, Bücher und Dokumentationen bestärken mich darin, weder den Osterschinken noch irgendeinen andren Braten nach Ostern zu Essen. 

 

Nachhaltig Handeln

Einmal angefangen mit dem Thema, stieß ich im Laufe der Jahre auf immer mehr Verhaltensweisen, welche ich ändern konnte, um so meinen ökologischen Fußabdruck zu verringern. Dazu zählen unter anderem

  • Energie sparen,
  • Müll vermeiden,
  • biologisch und saisonal einkaufen,
  • Kleidung nur aus dem Second-Hand-Laden kaufen,
  • Wasser sparen,
  • Elektronik nur gebraucht und neu aufgesetzt kaufen,
  • Möbel am Flohmarkt finden oder von der Großmutter übernhemen,
  • Produkte mit Palmöl von meiner Essensliste streichen,
  • Mehrwegprodukte verwenden,
  • Zahnpasta selbst machen,
  • Waschmittel aus Kastanien produzieren,
  • auf Coffee-To-Go verzichten und stattdessen im Thermobecher mitnehmen
  • und vieles mehr.

Das ging ein paar Jahre sehr gut, denn es gibt wirklich sehr viel, was man tun kann, um im Alltag nachhaltiger zu leben. Zum Teil war es auch wie ein Spiel, eine Suche nach der nächsten Challenge. Es reichte von Kleinigkeiten wie zum Beispiel nur so viel Wasser in den Wasserkocher zu füllen, wie ich auch wirklich brauche, bis hin zu größeren Entscheidungen, wie zum Beispiel Fliegen vollkommen auszuschließen. Auch wenn mich das Fernweh packt, gebe ich Acht, möglichst nachhaltig zu reisen. Wie meine aktuellen Reiseabenteuer aussehen, teile ich in meinem Gastbeitrag im Jänner 2023: Der Weg ist das Ziel (hier). 

 

Ich kann doch eh nix ändern…oder?

Doch so sinnvoll und verantwortungsbewusst ein ressourcenschonendes und umweltfreundliches Leben ist, hat es seine Grenzen. Selbst wenn ich mich an jeden „Tipp für einen nachhaltigen Alltag“ halte, wird es mir als Österreicherin kaum möglich sein, ein tatsächlich zu 100% klimaverträgliches Leben zu führen. Immerhin nutze ich die allgemeine Infrastruktur wie Straßen, um in die Arbeit zu kommen. Den Anteil, den ich als Einzelperson leisten kann, ist also begrenzt. Es braucht darüber hinaus Rahmenbedingungen, in denen sich die ganze Gesellschaft möglichst nachhaltig bewegen und entwickeln kann. Aber diesen Rahmen, wie zum Beispiel die politischen Maßnahmen, sowie Gesetztesänderungen für mehr Umwelt- und Klimaschutz, sehe ich aktuell noch nicht. Ich habe das deprimierende Gefühl, dass ich meinen persönlichen Weg zum Umwelt- und Klimaschutz irgendwo zwischen dem Wissen über die sich immer weiter zuspitzende Lage der Klimakatastrophe und die heutige Zeit der multiplen Krisen verloren habe. Ich bin es leid, dass die Verantwortung immer auf die Einzelperson und die individuelle Ebene abgeschoben wird.

 

Aktivismus oder Kapitulation?

Mich beschäftigen immer häufiger Fragen wie zum Beispiel

  • Wie kann ich mich gleichzeitig mit Kilmaschutz beschäftigen, ohne in Angst und Klimadepressionen zu verfallen?
  • Wie kann ich, scheinbar nahe am Abgrund mit einer so großen Ohnmacht umgehen?
  • Wie finde ich einen Weg zwischen absoluter Kapitulation und einem Vollblut Aktivismus wie dem der letzten Generation?

Im Angesicht völliger Ausweglosigkeit zu nicht nachvollziehbaren Protestformen zu greifen ist ein Umgang. Vor dem Klimawandel völlig die Augen zu verschließen, jede Verantwortung abzugeben ist ein anderer. Oder? Und genau dieses Auseinanderklaffen verschärft die ohnehin schon schwierige Lage noch mehr. Gegenseitiges Verständnis ist vielfach leider nicht mehr vorhanden. Die eine Seite hat Angst vor Klimaterror, die andere vor der Zukunft. Das empfinde ich als große gesellschaftliche und demokratiepolitische Herausforderung.

 

Ein Einschub zum Nachdenken

Wir kennen wohl alle das Konzept des ökologischen Fußabdrucks, mit dem man die eigene Klimabilanz errechnen kann. Ende 2021 stieß ich auf Videobeiträge wie diesen ("Can YOU Fix Climate Change") und diesen ("Wie der CO2-Fußabdruck dich manipuliert") und dadurch auf einen Artikel ("The carbon footprint sham"), der mir zu denken gab. Der Autor Mark Kaufmann beschreibt eindrücklich, wie es großen Firmen wie dem Öl-Giganten BP gelang, ein Bild zu vermitteln, indem die Verantwortung für den C02-Ausstoß beim Individuum liegt. Ein Bild, das es einfach es ist, seinen Betrag zu leisten diesen zu verringern. Wie verschwindend gering dieser Beitrag ist, den die Einzelperson macht und wie groß der Schaden am Klima durch Konzerne wie BP ließ das Großunternehmen unter den Tisch fallen. Die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks ist also laut Kaufmann keine Erfindung von BP, wurde aber ausgezeichnet vermarktet und großgemacht.

 

Persönliche Reflexion und Verständnis

Ich bin weder Politikerin noch habe ich überdurchschnittlich viel Macht im Sinne von einflussreichen Entscheidungen oder einer breitenwirksamen Öffentlichkeit meiner Worte. Daher sind meine Handlungsoptionen im Kontext der Weltgemeinschaft, nun ja, überschaubar. Für mich ist einer der wichtigsten Punkte offen dafür zu bleiben, das eigene Verhalten in Richtung Umwelt- und Klimaverträglichkeit zu ändern. Gleichzeitig möchte ich die Breitschaft zum Diskurs nicht verlieren. Ich davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit nicht immer eine Verzichtsdebatte sein sollte. Es ist eine Haltungsfrage. Ich muss ja nicht auf alles verzichten und kann ein genussvolles Leben führen. Gleichzeitig kann ich Entscheidungen überdenken. Ich kann mir überlegen, wo es mir leicht fällt zu verzichten und wo nicht. Dabei halte ich Fragen wie diese für wesentlich:

  • Was ist wirklich essenziell für ein erfülltes Leben und was nicht? Und warum?
  • Brauche ich wirklich ein Auto und jedes Jahr einen Langstreckenflug, um glücklich zu sein? Wenn ja, kann ich der Welt etwas für diesen Luxus und dieses Privileg zurückgeben? 
  • Gibt es etwas anderes, wo es mir leichter fällt den klimaverträglichen Lebensstil umzusetzen - beispielsweise mit einem Passivhaus, Ökostrom oder indem ich Kapital bei einer ethischen Bank anlege?

Ein weiterer grundlegender Punkt ist, dass ich Verständnis für andere Lebensstile und andere Prioritäten/Werte aufbringen möchte. Auch wenn es zugegebenermaßen oft schwierig ist. Das heißt: Auf der einen Seite habe ich Verständnis für die Klimademo. Genauso habe ich Verständnis für die Wut der Eltern, die dadurch im Stau stehen und ihre Kinder nicht  rechtzeitig in den Kindergarten bringen können. Ich habe Verständnis dafür, dass nicht jede*r von uns gleich so gewillt ist den Schinken auf der Frühstückssemmel durch Linsenaufstrich zu ersetzten. Wir müssen als Gesellschaft in einen konstruktiven Dialog treten und im Austausch bleiben. Reden wir darüber was uns bewegt- egal ob mein Gegenüber einer andren Meinung hat.

 

Zum Abschluss: Acht geben

Und noch ein Punkt zum Abschluss: Es ist essenziell, sich darüber im Klaren zu sein, wie und wo man lebt und welche Privilegien man im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt dadurch genießen darf.Wir Menschen, Tiere und Pflanzen leben alle am selben Planeten und den müssen wir uns teilen. Geben wir bitte darauf acht!

 

Über die Person: Wenn Josefine Tacha nicht gerade ihre nächste Weitwanderung plant, arbeitet sie als Betreuerin im Obdach Wurlitzergasse und studiert Umweltpädagogik. Von September 2022 bis März 2023 war sie als Projektmitarbeiterin beim IUFE angestellt. Innerhalb der SDGs ist ihr Inklusion und Gleichberechtigung ein besonderes Anliegen.