Nachhaltigkeit & Resilienz - Zusammenführende Gedanken in die Zukunft

Florian Leregger über Schnittmengen zwischen den 17 SDGs und persönlicher Resilienz.

 

Nachhaltigkeit ist Lebensqualität

Nachhaltigkeit ist ein Schlagwort unserer Zeit. Glücklicherweise nicht nur Schlagwort, sondern tatsächlich auch ein Trend. Das zeigen Entwicklungen bei Bewusstsein in der Bevölkerung, Einkaufsverhalten, Werbung, Finanzmarkt und Energiesektor. Gut so. Bedauerlicherweise wird Nachhaltigkeit aber auch oft überstrapaziert. Insbesondere dann, wenn die Wortverwendung am eigentlichen Verständnis vorbeigeht. So sind Begrifflichkeiten wie etwa nachhaltige Mitarbeiterführung, nachhaltige Bildung oder nachhaltige Wertanlage erstmal zu hinterfragen. Eigentlich verstanden als Prozess, bei der die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt werden, ohne dabei die Zustände der zukünftigen Generationen zu beeinträchtigen, zielt nachhaltige Entwicklung auf die Balance von sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten ab. Viele Menschen umschreiben Nachhaltigkeit gerne mit einem guten Leben für alle oder mit Lebensqualität heute und morgen.

 

Sustainable Development Goals

Aktuell geben uns die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) eine gute Orientierung, was Nachhaltigkeit in der Praxis auf Ebenen der Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Unternehmen bedeutet. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit auf der individuellen Ebene? Was heißt das für das eigene Leben? Wo liegen Möglichkeiten, ökologisch, sozial und wirtschaftlich in Balance zu agieren? Wie ist dabei mit notwendigen Veränderungen im Denken und Handeln umzugehen? Wie schaffe ich es dabei, all den Ideen und Ansprüchen gerecht zu werden? Und wie schaffe ich es, dass mich das alles nicht überfordert?

 

Ein Kernelement ist Achtsamkeit

Konflikte im Zusammenleben, ineffektive Kommunikation, Digitalisierung vieler Lebensbereiche, menschgemachte Klimakrise, massive Umweltzerstörungen, Chancenungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, ungleiche Bildungschancen bei Kindern und Jugendlichen, unfaire Arbeitsbedingungen, überbordendes Konsumverhalten und anwachsende Abfallmengen zeigen uns vielerorts auf, dass es Veränderungen braucht – auch in Österreich. In weiten Teilen der Gesellschaft sind offenkundig nicht-nachhaltige Entwicklungen zu beobachten. Diese schaden uns als Menschen. Sie schaden aber auch unserer natürlichen Umwelt. Sie beeinträchtigen also Lebensqualität, Glück und Zufriedenheit. Wir erleben oftmals Druck und Stress in vielen Bereichen unseres Lebens. Was wir auf persönlicher Ebene brauchen? Achtsamkeit mit uns selbst, unseren Mitmenschen und unserer natürlichen Umwelt!

 

Resilient das Leben gestalten 

Achtsamkeit ist wahrlich ein Kernelement der Resilienz. Unter Resilienz oder psychischen Widerstandsfähigkeit ist zu verstehen, herausfordernde Zeiten sowie Stress- und Krisensituationen auszuhalten und zu überstehen sowie im besten Fall gestärkt daraus hervorzugehen. Es geht also um Steh-Auf-Männchen-Qualitäten in schwierigen Zeiten. Bei Jugendlichen und Erwachsenen können das beispielsweise Jobverlust, Krankheit, Todesfall in der Familie, Herausforderungen in der Liebesbeziehung oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie sein. Die Zeit der COVID-19-Pandemie ist ebenso für viele äußerst heraufordernd – in vielerlei Hinsicht. Resilienz ist eine ganz persönliche Ressource, die dazu dient, das Leben bejahend, aktiv, optimistisch, konstruktiv und zukunftsorientiert zu gestalten. Und es geht auch um den selbstwirksamen, empathischen, verantwortungsvollen und lösungsorientierten Umgang mit mir und meinem Umfeld. Eng mit Resilienz verbunden sind die Salutogenese (Entstehung von Gesundheit), der Umgang mit Stress und Bewältigungsstrategien (Coping), der Sinnbezug sowie die Erfüllung der fünf psychologischen Grundbedürfnisse wie etwa die Bedürfnisse nach Lustgewinn und Kohärenz. Das Tolle daran: Resilienz ist zu erlernen. Jede/r von uns hat die Möglichkeit, die eigene Widerstandsfähigkeit zu fördern. Hier bestehen Schnittmengen zur Nachhaltigkeit – siehe unten.

 

Nachhaltigkeit als innere Haltungsfrage

Im Sinne der Nachhaltigkeit braucht es in vielen Bereichen Veränderung – siehe Beispiele oben. Dazu gibt es unterschiedliche Ansatzmöglichkeiten, wiewohl alle notwendig sind, um die Zukunft ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig gestalten zu können. Denken wir etwa an politische Rahmenbedingungen mit Gesetzen, Verboten und Anreizen. Denken wir aber auch an unternehmerische Nachhaltigkeitsinitiativen und Bildung. Dies liegt oftmals außerhalb unseres eigenen ganz persönlichen Wirkungsbereichs. Gemäß des weltberühmten Zitats von Mahatma Gandhi „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt“ sollten wir uns verstärkt mit der inneren – also ganz persönlichen – Dimension der Nachhaltigkeit beschäftigen. Nachhaltigkeit ist demnach als innere Haltungsfrage verstehen. Was jedoch nicht bedeutet, dass hier die Verantwortung zur Gänze auf Einzelpersonen übertragen werden sollte.  Es macht allerdings schon Sinn, Werte und Themen der Nachhaltigkeit ins eigene Leben und Handeln zu integrieren, um die eigene Lebensqualität sowie die der Mitmenschen zu erhöhen. Schritt für Schritt versteht sich. Dabei selbst nicht perfekt sein zu müssen, ist eine Erkenntnis, die zu erhöhter Resilienz beiträgt. Es bringt ja nichts, sich aufgrund des zu hohen Drucks vor dieser Aufgabe beugen zu müssen. Zudem soll es Spaß machen.

 

Schnittmengen zwischen den SDGs und persönlicher Resilienz

Kommen wir nun noch einmal auf die anfangs erwähnten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zurück. Dieses Rahmenwerk für nachhaltige Entwicklung bietet einiges. Es bietet Orientierung. Es stiftet Sinn. Wir finden darin ein positives Zukunftsbild. Die konkreten Anwendungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen in den unterschiedlichen Bereichen sind vielfältig. Eine spannende Perspektive ist das Zusammendenken der SDGs und persönliche Resilienz. Im Hinblick auf die sieben Säulen der Resilienz gibt es hier Schnittmengen:

  • Akzeptanz der bestehenden Herausforderungen
  • Optimismus, diese Herausforderungen lösen zu können
  • Selbstwirksamkeit und das Vertrauen in eigene Stärken, um nicht hilflos den Kopf in den Sand zu stecken
  • Verantwortung übernehmen, um mit dem eigenen Handeln eine Welt zu gestalten, die wir uns selbst wünschen. Damit kommen wir aus der Opferhaltung raus.
  • Lösungsorientierung, um weg vom problemzentrierten Denken hin zu lösungsorientiertem Handeln zu gelangen. Nach Klärung, welche Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung stehen, wird tatsächlich gehandelt
  • Zukunftsorientierung, bei der Ziele möglichst klar formuliert werden. Wir denken auch an die nächsten Generationen. Der Blick richtet sich nach vorne
  • Netwerkorientierung ist essenziell. Zusammenhalt und Kooperationen sind wichtig, um voran zu kommen

 

Exkurs: Resilienz in verschiedenen Bereichen

Den Begriff „Resilienz“ finden wir mittlerweile in den verschiedensten Gesellschafts- und Handlungsbereichen. Beispielsweise in der Werkstoffkunde. Dort skizziert er Materialien, die biegsam sind und stets wieder die ursprüngliche Form annehmen. Wir verwenden den Begriff aber auch in der Umweltforschung bzw. für Ökosysteme, nämlich wenn wir dynamische Stabilitätseigenschaften eines Systems beschreiben möchten. So etwa dann, wenn Fähigkeiten und Organisationsweisen trotz Störungen oder Veränderungen erhalten bleiben, ohne dass das System in einen anderen Zustand übergeht. Im Wirtschaftskontext – etwa bei der ISO Norm 22316 zu organisationaler Resilienz – begegnen wir dem Begriff ebenso wie in der Politik – etwa in der internationalen Sicherheitspolitik. Ebenso finden wir den Begriff in der Stadtplanung und -entwicklung. Damit meinen wir die Widerstandsfähigkeit von Städten im Fall von (Natur-)katastrophen oder Kriegen. Das 4-R-Modell von Charlie Edwards beschreibt mit 1) Robustheit/robustness, 2) Redundanz/redundancy, 3) Einfallsreichtum/resourcefulness und 4) Schnelligkeit/rapidy die vier Kernelemente einer resilienten Gesellschaft.

 

Zur Person: Florian Leregger ist Geschäftsführer des Instituts für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE). Nebenberuflich arbeitet er als freier Trainer, Vortragender und Autor für Nachhaltigkeit und Resilienz. Kontakt hier