Nachhaltigkeit im Journalismus braucht Ruhe und Zeit

Journalistin und CSR-Beraterin Evelyne Huber über verantwortungsvolles journalistisches Handeln.

Ein Leitspruch lautet „Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Wenn du es noch eiliger hast, mach einen Umweg“. Dieser Satz erscheint mir in unserer Gegenwart bedeutsamer denn je. Denn rund um uns herrscht Beschleunigung, doch die wertvollen Ziele für die Entwicklung der Menschheit, zusammengefasst in den Sustainable Development Goals (SDGs) lassen sich nicht mit Schnelligkeit verbreiten und umsetzen. Ein Ziel zu erreichen, braucht Zeit.

 

Verantwortungsvolles journalistisches Handeln

Ich lebe und handle als zertifizierte Beraterin für die Balance von Arbeit und Gesundheit. Aufgrund meiner vorangegangenen journalistischen Erfahrungen möchte ich das Augenmerk auf einen wesentlichen Aspekt lenken, nämlich verantwortungsvolles journalistisches Handeln. Dieses wird bedeutsamer werden. Für alle.

Mein Appell leitet sich aus dem Ziel 16 der SDGs ab. Zitiert und interpretiert in einem bedeutet dieser Appell: Journalisten und Journalistinnen verwenden ihr journalistisches Handwerkzeug im Sinne der Förderung einer gerechten, friedlichen und integrativen Gesellschaft und sind sich ihrer Verantwortung bewusst, die sie im Sinne der Umsetzung der SDGs tragen.

 

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein grünes Licht für verantwortungsvolles journalistisches Handeln!

Österreich ist diesem Ziel – verantwortlichem journalistischem Handeln - am 1. Juli 2016 einen Schritt näher gekommen, wie sich an diesem Beispiel lässt. An diesem Tag verkündete der Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung, dass die Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten vom 22. Mai 2016 wegen der Mängel in der Auszählung der Stimmen und wegen der Bekanntgabe von Auszählungsergebnissen vor Wahlschluss  zu wiederholen ist. Das ist ein Stoppschild für die Beschleunigung in der Verbreitung von Nachrichten in steigender Quantität bei sinkender Qualität. Gleichzeitig ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein grünes Licht für verantwortungsvolles journalistisches Handeln.

Medienberichte während des Wahltages waren eine der Ursachen für die Aufhebung der Wahl und die Anordnung der Wiederholung. Der Politik-Journalist Claus Reitan erklärt dies so: An Wahltagen erhielten stets einige wenige Redakteure in der Austria Presseagentur (APA) und im ORF noch vor Wahlschluss und Stimmenauszählung erste Hinweise auf Entwicklungen im Wahlverhalten. Damit konnten Zeitungen und Sendungen redaktionell geplant werden. Verschwiegenheit und Nicht-Verbreitung waren geboten. Diese Regeln hielten Jahrzehnte. Zuletzt aber nicht mehr. Es war der Wettbewerb des Boulevards, der sich bedeutsam und interessant machen wollte, der die Schleusen der Indiskretion öffnete. Eine vor Jahren ausgesprochene Ermahnung der Agentur und des Innenministeriums blieb wirkungslos. Die technischen Möglichkeiten neuer elektronischer Medien haben die illegale, regelwidrige Verbreitung von ersten Voraus-Informationen über ein mögliches Wahlergebnis nochmals befördert und beschleunigt. Das war jetzt zu viel. Damit könnte nämlich der Wahlausgang beeinflusst werden. Damit ist nun Schluss. Der Verfassungsgerichtshof hat es so entschieden und verfügt.

 

Fazit: Eine gerechte, friedliche und integrative Gesellschaft hat einen gerechten, friedlichen und integrativen Journalismus zur Voraussetzung

Sie benötigt einen Journalismus, der sich der Konsequenzen und der Wirkungen seiner Handlungen bewusst ist und sich einer entsprechenden Sprache bedient. Keine leichte Aufgabe. Denn Sprache ist weitaus mehr, als uns im Alltag bewusst ist.

Sprache ist ein Prozess des Vergleichens. Eine Erkenntnis, die wir beispielsweise aus dem Gespräch mit anderen gewinnen, erleben wir als Übereinkunft. Andersrum gesagt: Wir verarbeiten Informationen, indem wir Unterschiede wahrnehmen. Also wir „machen“ Informationen durch unsere Reaktion auf Unterscheidungen.

Für die Aufnahme von journalistischen Inhalten heißt das: Was immer wir lesen oder hören, wird nicht beliebig wahrgenommen oder gespeichert, sondern es werden im Gehirn unsere Sinneseindrücke verarbeitet, indem sie mit früheren Erfahrungen verglichen werden. Unser Gehirn konstruiert dann ein neues Muster. Dieses Muster erfasst die Bedeutung als Stimulus für das zukünftige Verhalten.

Unsere Wahrnehmung ist somit nicht ein Abbild der Realität. Sie erfolgt im Kontext mit unserer angeborenen Eigenschaften und erlernten Erfahrungen. Also spiegeln wir nicht die Welt mit unseren Sinnen. Nein. Wir konstruieren mit unseren Gehirnen eine gemeinsame Welt. Jeder Artikel, jeder Sendebeitrag, jede Form der Berichterstattung hilft uns in diesem Prozess der Weltkonstruktion. Journalisten und Journalistinnen übermitteln somit nicht nur Informationen, sondern sie verhelfen Lesern, Hörern und Usern dazu, ihre Erfahrungen zu vergleichen. Solch ein verantwortungsvolles, journalistisches Handeln darf nicht in Schnelligkeit und bedenkenloser Hast geschehen. Dafür braucht es Ruhe und Zeit. Das ist für die Umsetzung der SDGs wesentlich. Diese dienen der Zukunftsfähigkeit der Menschheit und leiten unsere Beiträge für eine nachhaltige Entwicklung der Welt.

 

Zur Person: Evelyne Huber, MSc ist in den Themen Gesundheitsförderung und Kommunikation im Sinne der Nachhaltigkeit tätig. Sie ist Fit2Work-, Burn-Out- und CSR-Beraterin und engagiert sich als zertifizierte Journalismustrainerin des KfJ im Netzwerk Weitblick für die Qualifizierung von Journalisten im Bereich Nachhaltigkeit. Zuvor war Evelyne Huber 25 Jahre Journalistin. Als Chefredakteurin der Magazine "Gesundheit" und "Scheidung" befasste sie sich mit dem Thema "nachhaltiges und gesundes Wirtschaften". Für den Abschluss ihres Masterstudiums "Kommunikation und Management" verfasste sie eine Burn-Out-Studie und gründete als Beraterin und Geschäftsführerin die Huber Nachhaltigkeitskommunikation e.U.