Klimakrise ist nicht geschlechtsneutral

Gedanken über den Einfluss struktureller Ungerechtigkeit auf die Umsetzung der SDGs und daraus entstehende Auswirkungen.

 

Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen

Im letzten Artikel haben wir von der Initiative "gleich.wandeln" (hier) des Landes Niederösterreich berichtet. Sie verbindet Gleichstellungsfragen (SDG 5) mit Klimaschutz (SDG 13). Die Initiative beschäftigt sich auch mit den Chancen und Herausforderungen von Mädchen und Frauen im Kontext der sich wandelnden Lebensrealitäten und Umstände in Verbindung mit der Klimakrise. Durch das SDG 5 sollen Rechte für Mädchen und Frauen gestärkt, die Gewalt und Diskriminierung gegen sie beendet und die ökonomische Situation von ihnen verbessert werden. Aber wie entsteht überhaupt soziale Ungerechtigkeit durch die Klimakrise? Und warum ist es so wichtig, Chancengerechtigkeit und Geschlechtergleichstellung zu erzielen?  

 

Frauen leiden global stärker unter der Klimakrise

Grundsätzlich können wir festhalten, dass Krisen meist jene Personen treffen, die ohnehin durch bestehende ungleiche Strukturen in der Gesellschaft vulnerabler sind. Oft wirken Krisen als Brennglas, machen Ungleichheiten deutlich sichtbar und treiben marginalisierte Personen und Gruppen noch weiter an den Rand. Die Klimakrise ist so eine globale Situation. So trifft es besonders Mädchen und Frauen, die an vielen Orten dieser Welt rechtliche, strukturell, oder finanziell benachteiligt sind, besonders hart. Denn durch die globale Dimension der Klimakrise können Ursachen und Konsequenzen räumlich sehr weit auseinander, was vor allem in den Ländern des globalen Südens offenkundig zu beobachten ist.

 

Beispiel 1: Frauen in der Landwirtschaft

In afrikanischen Ländern sind oftmals Frauen zu einem überwiegenden Teil in der Landwirtschaft tätig. Sie arbeiten federführend, um Nahrungsmittel zu produzieren und Ernährung zu sichern. Kommt es nun aufgrund von steigenden Temperaturen bzw. sich ändernden klimatischen Bedingungen zu vermehrten Ernteausfällen, Dürren oder Überschwemmungen trifft es überwiegend Frauen. Auch indirekt beeinflusst es Mädchen und deren Familien, die aufgrund von Klima- und Naturkatastrophen in die Armut getrieben werden. Als eine Konsequenz müssen viele von ihnen ihre Ausbildung beenden, um die Familie durch ihren Arbeitseinsatz in jungen Jahren finanziell zu unterstützen. Dazu kommt, dass Armut und unzureichende Lebensstandards die Gewaltbereitschaft und Kriminalität erhöhen. Oftmals sind Frauen Opfer dieser Gewalt und Kriminalität. 

Die Initiative "gleich.wandeln" betont es klar mit den Worten: "Geschlechtergleichheit kann Armut reduzieren, für mehr Gerechtigkeit sorgen und eine nachhaltige Entwicklung fördern."

 

Beispiel 2: Ungleiche Verteilung in Führungs- und Entscheidungspositionen

Weg von der Landwirtschaft, hin zu führenden EntscheidungsträgerInnen. Wenn Frauen nicht endlich gleichermaßen in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen sowie in Führungspositionen (Wirtschaft, Politik,...) involviert sind, wird es wohl schwer werden, geschlechtergerechten Klimaschutz zu realisieren. Zahlreiche Belege deuten darauf hin, dass sich Mädchen und Frauen tendenziell stärker für den Klimaschutz engagieren, als Buben und Männer. Obwohl Frauen zahlreicher in Klima- und Umweltbewegungen aktiv sind, sind sie im Vergleich zu Männern geringer in politischen Entscheidungsprozessen federführend involviert. Mädchen und Frauen erleben aber auch andere Lebensrealitäten, als Buben und Männer. Dementsprechend bedarf es die Berücksichtigung dieser bei weitreichenden Klima-Entscheidungen. Das zeigte auch die erst kürzlich stattgefundene internationale Klimakonferenz COP 27 in Sharm El-Sheikh. Von den dort vertretenen 110 "world leaders" waren gerade mal 7 weiblich. 

 

Ermächtigung und Zusammenhalt

Was kann nun getan werden, um das SDG 5 auch in der Klimakrise nicht aus den Augen zu verlieren? Wie können Diversität und Gleichberechtigung in Maßnahmen zum Klimaschutz berücksichtigt werden. Spontan würde uns einfallen:

  • Politische Rahmenbedingungen sollen Mädchen- und Frauenrechte stärken
  • Rollenbilder und -klischees reflektieren und aufbrechen
  • Eigene Bildungsmöglichkeiten nutzen
  • Mitspracherecht in Entscheidungsprozessen einfordern

Ganz nach dem SDG-Motto "leave no one behind - lasse niemanden zurück" dürfen Personen bzw. Gesellschaftsgruppen - egal ob etwa Frauen, Männer oder Menschen mit Behinderungen - auf dem Weg in eine lebenswerte Zukunft nicht vergessen werden. ALLE Menschen haben das Recht auf ein gutes Leben. Dazu wird es auch wichtig sein, dass die 17 SDGs nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sinnvollerweise werden sie gemeinsam gedacht und miteinander verknüpft erreicht. Auftretende Zielkonflikte sind zu lösen. Denn wir brauchen gute Lösungen und Verbesserungen, die möglichst allen Menschen auf unserer Erde zugutekommen. 

 

Konnex zu den SDGs (Auswahl):

  • SDG 5 „Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen“
    • 5.1 „Alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen überall auf der Welt beenden“
    • Unterziel 5.2 „Alle Formen von Gewalt gegen alle Frauen und Mädchen im öffentlichen und im privaten Bereich einschließlich des Menschenhandels und sexueller und anderer Formen der Ausbeutung beseitigen“
    • Unterziel 5.5 „Die volle und wirksame Teilhabe von Frauen und ihre Chancengleichheit bei der Übernahme von Führungsrollen auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben sicherstellen“
    • 5.b „Die Nutzung von Grundlagentechnologien, insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnologien, verbessern, um die Selbstbestimmung der Frauen zu fördern“
    • Unterziel 5.c „Eine solide Politik und durchsetzbare Rechtsvorschriften zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Selbstbestimmung aller Frauen und Mädchen auf allen Ebenen beschließen und verstärken“
  • SDG 13 „Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen“
    • 13.1 „Die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen in allen Ländern stärk“
    • 13.3 „Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern“
    • 13.b „Mechanismen zum Ausbau effektiver Planungs- und Managementkapazitäten im Bereich des Klimawandels in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselentwicklungsländern fördern, unter anderem mit gezielter Ausrichtung auf Frauen, junge Menschen sowie lokale und marginalisierte Gemeinwesen“