Die Bedeutung der Ressource Wasser im Iran

Wissenschafterin Julia Anna Jungmair berichtet exklusiv über Herausforderungen und Lösungen.

„Du Julia, hättest Du Interesse einen Blogbeitrag zum Thema nachhaltige Entwicklung in Zusammenhang mit den SDG’s zu schreiben?“ Als mich diese Frage erreichte, befand ich mich gerade inmitten der Vorbereitungen zu meiner Iran-Reise. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch wenig über den Iran – den, von Jason Elliot bezeichneten „vergessenen Garten Gottes“. Doch das sollte sich bald ändern…

Der Name Iran stammt aus dem Altiranischen und bedeutet „Land der Arier“, was in diesem Zusammenhang als „die Edlen“ zu verstehen ist. Der größte Teil der IranerInnen bekennt sich zum schiitischen Islam, was unter anderem daher kommt, dass der Islam Staatsreligion ist und „Ungläubigen“, bei aktiver Religionsausführung die Todesstrafe droht. Spätestens mit diesem Wissen wurde mir klar, dass mich meine Reise in den Iran, in eine andere, mir bis dato verborgene (und gezeichnete) Welt(politik) führen würde.

 

„Manchmal im Leben entscheiden wir selbst und manchmal wird für uns entschieden.“
Für den Iran und seine rund 79 Mio. EinwohnerInnen traf letzteres die vergangenen 40 Jahre zu. 40 Jahre, in denen er aus machtpolitischen Gründen beinahe gänzlich vom Weltgeschehen abgeschottet, aus geopolitischen Entscheidungen ausgeschlossen wurde und sich mit Drohungen gegen Israel oder dem höchst umstrittenen Atomprogramm als „Achse des Bösen“ in die Wahrnehmung der westlichen Welt einprägte. Dies alles führte zu westlichen Sanktionen (Ausschluss aus dem Finanz- und Wirtschaftssystem, Erdölembargos etc.), die das Land an die Grenzen seiner Belastbarkeit brachten.

 

Doch nach 14.600 Tagen der völligen Isolation bewegt sich da etwas im Iran.

Die Machthaber (im Iran ist das immer noch der Waisenrat – die Ajatollahs) brechen ihr Schweigen und öffnen ihre Türen. Doch diese Öffnung ist alles andere als harmonisch. Westliche als auch iranische Zeitungs- und Fernsehberichte verfolgend, überkommt mich das Gefühl, dass die iranischen und westlichen Machthaber vielmehr Lust haben zu streiten. Streiten über kontroverse Themen wie die Meinungsfreiheit im Land, das iranische Demokratieverständnis, die Lage der Frau oder die Stellung zur Flüchtlingskrise. 

 

Wasser, Biodiversität, Wüste und Regenwälder
Mit  etwas mehr als 1,6 Mio. km2 ist der Iran 4,5 Mal so groß wie Deutschland und somit an 18. Stelle der größten Länder der Welt. Das Land erstreckt sich vom Kaspischen Meer im Norden bis hin zum  Persischen Golf und der Straße von Hormus im Süden und besitzt somit eine hohe geostrategische Bedeutung. Außerdem vereint der Iran eine große Biodiversität. Neben 55% Wüstengebiet und zahlreicher Gebirge finden sich auch Regenwälder und natürliche Skipisten im Norden des Staatsgebietes. 

 

Landwirtschaft ist größter Arbeitgeber des Landes
Die Landwirtschaft, die primär von Nomaden und der ländlichen Bevölkerung (35%) geführt wird, ist größter Arbeitgeber des Landes. Die bedeutendsten Exportprodukte sind Pistazien, Weizen, Reis, Zucker, Baumwolle, Früchte, Nüsse und Datteln. Das islamische Alkoholverbot führte 1979 (islamische Revolution) zu einer Anbauumstellung von Weintrauben auf Tafeltrauben und Rosinen. Bei Letzteren ist der Iran nach der Türkei größter Exporteur, bei Safran (90%) ist der Iran globaler Weltmarktführer. Zehn Prozent der Landesfläche entfallen auf landwirtschaftliche Nutzflächen, von denen ein Drittel künstlich bewässert wird. In Summe werden 90% des gesamten Wasserverbrauches der Republik für die Landwirtschaft verwendet (22% mehr als im internationalen Durchschnitt) und das, obwohl die Islamische Republik mit einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 250 mm (1/3 des weltweiten Durschnittwertes) zu den trockensten Regionen der Welt gehört.

 

Und damit sind wir Mitten im Hauptthema meines Beitrags angekommen:

DIE BEDEUTUNG DER RESSOURCEN WASSER IM IRAN

Der Iran gilt gemeinhin als eines der wasserreichsten Länder des Nahen und Mittleren Ostens.

  • Warum also ist der "vergessene Garten Gottes" auf der Weltkarte des World Resources Institutes (WRI) dunkelrot markiert und zeigt damit, dass der Iran unter extremen Wassermangel leidet und zudem zu den am raschesten austrocknenden Ländern der Welt zählt?
  • Was sind die Hauptgründe für den Wassermangel, unter dem der Iran immer stärker leidet?

Es ist die Summe einzelner Faktoren wie beispielsweise das Wassermissmanagement, die immer länger werdenden Dürreperioden und die daraus resultierende extreme Grundwasserabsenkung. Offiziellen Meldungen zufolge sind bereits 100 der insgesamt 160 Mio. Hektar Landfläche von massiven Grundwassermangel betroffen.

 

Wasserbedarf ist in dieser Art und Weise nicht zu decken
Laut dem iranischen Landwirtschaftsexperten und Universitätsdozent Sadegh Beyg-Nejad ging in den letzten Jahren ein Drittel des für landwirtschaftliche Zwecke benötigten Wassers verloren, weil die iranische Landwirtschaft veraltete Technologien einsetzt und die Bauern unprofessionell im Umgang mit Wasser seien. Fakt ist, dass die IranerInnen die Hälfte ihres Wasserbedarfs über natürliche Quellen, also dem Persischen Golf und das Kaspische Meer in Form von Salzwasser sicherstellen und dieses somit nicht für den täglichen Bedarf nutzbar ist. Diese Tatsache trägt ihr Übriges zur Beantwortung der Eingangsfrage bei und erklärt, warum der Iran regelmäßig vor drohenden Dürrekatastrophen gewarnt wird.

 

Problem erkannt und auf der Suche nach Lösungen
Seit Jahren wird nach Lösungen für die, sich von Jahr zu Jahr verschärfende Wasserproblematik in der Islamischen Republik Iran gesucht. So werden die BewohnerInnen der Großstädte regelmäßig aufgerufen, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren. Kommen sie dieser Aufforderung nicht nach, stellt die Regierung die Wasserversorgung, jener Privathaushalte, die überdurchschnittlich viel Wasser verbrauchen für einen unbestimmten Zeitraum ab. Diese Maßnahme ist wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein; schließlich findet der Wasserverbrauch zu 90% in der Landwirtschaft statt.  

 

Weiterer Grund: umstrittenes Wassernutzungskonzept
Weitere Gründe sind die Genehmigung falscher Wassernutzungskonzepte wie jene unter der Regierung des früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Ein 1,4 Milliarden Euro schweres, mittlerweile wieder aufgegebenes Konzept sah vor, Wasser aus dem Kaspischen Meer (im Norden des Landes) in die Wüstengebiete (Landesmitte) zu leiten. Nicht bedacht wurde dabei, dass nach einem derart langen und heißen Transport des salzigen Meerwassers am Ende nur Salz übrig bleibt. Ein Aktivist kommentierte zynisch: „Aus Wüstengebiet lässt sich eben kein fruchtbarer Boden zaubern.“

 

Auch Klimawandel trägt seinen Anteil bei - Folge: Unruhen
Neben dem Missmanagement der Regierung, ist der Wassermangel im Iran primär eine Folge des Klimawandels, der zum Großteil von den Industrieländern verursacht wird. Das außer Kontrolle geratene Niederschlagsmuster führt zu Extreme wie langanhaltende Dürre oder starken Regenfällen. Unruhen und Konflikte auf Grund des Wassermangels sind die Folge. So etwa im Februar 2013 in der Iranischen Provinz Isfhahan: Bauern streikten über 40 Tage, weil die Wasserzufuhr ihrer Felder abgestellt wurde. Beim Versuch die Wasserleitungen der Stadt Yazd zu stürmen, kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen mit der Exekutive.

 

Wasserimport wird überlegt
Staatliche Organisationen ziehen auch die Möglichkeit des Wasserimportes aus Tadschikistan und anderen Ländern in Betracht. Dazu wurde bereits im Jahr 2012 ein Vorvertrag unterzeichnet. Selbst die afghanische Regierung hatte dem Transit der Wasser-Pipeline zugestimmt. Konkrete praktische Schritte zur Realisierung gab es seither keine. Es scheitert wohl an der damit verbundenen „Abhängigkeit vom Ausland“ – was aus geschichtlichen Gründen durchaus verständlich ist.

 

Lösungsorientierter Ausblick
Der Druck auf die Behörden wächst also und mit ihm – Inshala – auch die Anzahl der Initiativen und Projekte, die sich mit Trinkwasserbrunnen-Sanierung sowie der Erarbeitung und Umsetzung von verbesserten, integrierten, generationengerechten Wasser- und Landnutzungskonzepten in den Sektoren Landwirtschaft (mit Bauern werden sozial- und umweltverträgliche Lösungsansätze erarbeitet und getestet), Industrie (Fokus: Frischwasserressourcen beispielsweise durch die Wiederverwendung gereinigter Abwässer aus Industrie und Kommunen) und Siedlungswasserwirtschaft (Schwerpunkt: Analyse des Wasserverbrauchs in Privathaushalten sowie die Erarbeitung und Durchführung von Optimierungsmaßnahmen) beschäftigen. Den partizipativen Ansatz folgend werden in diesem Rahmen Potenziale für Erneuerbare Energien aufgezeigt, Trainingsmodule entwickelt, ein Deutsch-Iranisches Schulungszentrum für den Wassersektor aufgebaut und Entscheidungsunterstützungsstützungssysteme (DSS) implementiert. Ziel der meist auf drei Jahren angelegten Projekte sind sozial- und umweltverträgliche Lösungen (Capacity Development).

 

Mit diesem Wissen, bedanke ich mich bei der aufmerksamen Leserin/dem aufmerksamen Leser für die wertvolle Zeit, meinen Blogbeitrag zu lesen und verabschiede mich aus dem Jahr 1395 (Die iranische Zeitrechnung beginnt mit der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina im März 622 A.D. Hier beginnt auch das fiktive Jahr 1. Der Kalender wurde am 31. März 1925 AD gesetzlich eingeführt und gilt bis heute.  Wer denkt, dass sei erst der Anfang, der irrt. Die Anfänge der persischen Zeitrechnung gehen jedoch noch weiter auf den altiranischen Kalender zurück und verlieren sich von dort aus im Dunkel der tausendjährigen Geschichte des persischen Großreiches), wieder zurück in die Zukunft, dem Jahr 2016.

 

 

Weiterführende Literatur und Quellen

 

Zur Person: Dipl.Ing. Julia Anna Jungmair, BA studierte Produktmarketing- und Projektmanagement an der FH Wiener Neustadt, Campus Wieselburg mit den Schwerpunkten biologische sowie ökologische Konsumgüterwirtschaft & Agrarmarketing. Einen Abschnitt des Wirtschaftsstudiums absolvierte sie an der Yonsei University in Südkorea/Seoul. Ergänzend zu Ihrem Masterstudium Agrar- und Ernährungswirtschaft an der Universität für Bodenkultur absolvierte sie die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien. Derzeit arbeitet Julia an der BOKU als wissenschaftliche Projektmitarbeiterin. Studienbegleitender Schwerpunkt: Ökosoziale Marktwirtschaft