Der Wohlstand des Teilens

Teil 3 der Serie "Gemeinsam Zukunft bauen" von Lisa Lorenz.

(c)zukunftsrezepte

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

 

Mein Name ist Lisa Lorenz und ich freue mich, in diesem SDG-Nachhaltigkeitsblog die Serie "Gemeinsam Zukunft bauen" gestalten zu können. Nach dem ersten Teil "Zukunftsbilder malen" (hier) und zweiten Teil "Stiller Wandel" (hier) begrüße ich dich hier zum dritten von vier Teilen. Schön, dass du dir die Zeit zum Lesen nimmst!

 

Vielleicht bedeutet Wohlstand nicht, mehr zu besitzen, sondern mit Freude mehr zu teilen?

Diese Woche schaute ich ein Interview mit Vivian Dittmar (hier) zu ihrem Buch über eine neue Betrachtung von Wohlstand. Sie beschreibt darin fünf Dimensionen des Wohlstands:

  • Zeit,
  • Beziehung,
  • Kreativität
  • sowie spirituellen und ökologischen Wohlstand.

Besonders interessant empfand ich ihre Ansicht, dass materieller Wohlstand zwar unser Leben bereichert, uns allerdings auch von unseren Mitmenschen trennen kann. Wenn wir beispielsweise unser eigenes Badezimmer besitzen, waschen wir uns nicht mehr gemeinsam mit anderen in einem Fluss und verlieren dadurch – meist unbemerkt – wertvolle Zeit in Gemeinschaft.

 

Qualität des belanglosen Beisammenseins

Das Interview erinnerte mich an mein eigenes Erleben während ich meine Masterarbeit über ein kleines armenisches Bergdorf schrieb. Ich lebte dort im Gästezimmer einer der einheimischen Familien, es war Ende April und teils lag noch Schnee. Das Heizsystem des Hauses bestand hauptsächlich aus einem Ofen in der Wohnküche. In den übrigen Zimmern standen elektrische Heizer, die nur liefen, wenn es ausreichend Strom gab. Deswegen versammelte sich die ganze Familie den Großteil des Tages in der Wohnküche. Dort wurde gemeinsam gegessen, gekocht, gelacht und gestritten. Dort schlief, malte oder las jede Person für sich alleine in Gemeinschaft. Manchmal unterhielten sie sich, manchmal schwiegen alle, vertieft in die eigene Welt. Indem sie einen Raum miteinander teilten, teilten sie sich selbst mit anderen und waren so ohne große Aktivität in Beziehung miteinander. In dieser Wohnküche konnte ich die Qualität dieses belanglosen Beisammenseins sehr deutlich als eigene Form des Wohlstands spüren.

 

Ressourcen sparen. Resilienz bauen. Gemeinsam Wohlstand schaffen

Bestimmte Formen von Infrastruktur sind essentiell für Wohlstand. Jeder Mensch sollte Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und in einem (beheizten) Zuhause leben können. Und doch ist es wichtig, uns bewusst zu machen, dass das alleine nicht Wohlstand ist. Viele von uns erleben einen unglaublichen Luxus, weil wir unsere eigenen Dinge besitzen und unabhängig voneinander nutzen können. Gleichzeitig gerät dadurch die Geselligkeit des Teilens in Vergessenheit. Wie schön wäre es deswegen, wieder mehr zu teilen? Nicht aus einem Mangel oder Verzicht heraus, sondern weil es Freude macht und Beziehung schafft. Wie schön wäre es, sich weniger darauf zu fokussieren, was wir (noch) nicht besitzen, und vermehrt zu sehen, was wir noch teilen könnten. Nicht nur Häuser, Autos und Gegenstände, sondern auch uns selbst mit allem was dazu gehört: Den freudigen Erlebnissen und herausfordernden Erfahrungen, den stillen und müden Stunden sowie den vergnügten Gesprächen und neuen Erkenntnissen. All das schafft Beziehung und Kapazität, spart Ressourcen und baut Resilienz. All das schafft gemeinsamen Wohlstand.

 

Teil 3 der Serie "Gemeinsam Zukunft bauen" von Lisa Lorenz.

Zur Person: Die Frage, wie sich Menschsein mit Umweltschutz vereinen lässt, beschäftigt Lisa Lorenz seit ihrer Kindheit. In ihrem Studium der Geographie und Umweltwissenschaften sowie in ihrer Arbeit im Umweltberatungs- und Bildungsbereich fand sie darauf bereits viele Antworten. Seit Herbst 2020 studiert sie außerdem berufsbegleitend Umweltpädagogik, um auch in Zukunft mit anderen Menschen zu erforschen, wie ein gutes Leben auf einem gesunden Planeten aussehen kann.