Der Weg ist das Ziel

Josefine Tacha über nachhaltiges Reisen für Abenteurer*innen und ihren Trip nach Schottland.

 

Ich bin Josefine Tacha und möchte dich auf eine kleine Abenteuerreise mitnehmen. Sowohl in meiner Arbeit im IUFE als auch bei meiner Ferienplanung ist mir Nachhaltigkeit sehr wichtig. In diesem Artikel werde ich auf nachhaltiges Reisen im Allgemeinen eingehen, dann einen Schwerpunkt auf Zugreisen legen und schließlich von meiner letzten, klimaverträglichen Reise nach Schottland berichten.

 

Urlaub, Fernweh und Wanderlust

Ich habe bis jetzt noch niemanden getroffen, der oder die nie Lust hat dem Arbeitsalltag zu entfliehen, um die freie Zeit woanders zu genießen. Ein bisschen Fernweh schlummert wohl in jeder und jedem von uns. Klar, unsere Ferienziele und -aktivitäten gehen auseinander. Genauso wie die Bereitschaft viel oder wenig Geld dafür auszugeben. Ein Punkt, der angesichts des Klimawandels immer bedeutender wird und unabhängig von Strandurlaub in Kroatien, Genussurlaub in Kärnten und Campen in Schweden eine Rolle spielt, ist die Nachhaltigkeit. Doch wie geht nachhaltig Reisen? Wie können wir den Urlaub ohne schlechtes Gewissen genießen und gleichzeitig den Co2-Ausstoß im Auge behalten?

 

Basics zum Nachhaltigen Reisen

Nachhaltig Reisen bedeutet nicht automatisch auf Genuss zu verzichten und das Urlaubsziel auf den Balkon zu beschränken. Die Plattform tourism4sdgs der World Tourist Information hat ein paar leicht zu befolgender Tipps für Reisende:

  • Finde einen achtsamen Umgang mit Essen. Nimm dir am Buffet nur so viel, wie du auch wirklich essen kannst.
  • Wenn du auf deiner Reise spannende Projekte zu Frauen-Empowerment siehst, mach mit und/oder erzähl davon in deinen Social-Media-Kanälen.
  • Lerne zumindest ein paar Worte in der Sprache des Landes, in dem du dich befindest. So wirst du einen besseren Zugang zur lokalen Bevölkerung finden.
  • Achte bei der Planung darauf, dass du in nachhaltigen Hotels übernachtest.
  • Nutze digitale Dokumente und Tickets, anstatt alles auszudrucken.

 

Das leidige Thema „Fliegen“

Um eine Sache kommen wir beim Thema Reisen nicht herum: die Anreise. Nicht immer, aber oft gelangen wir schnell zum Fliegen. Im Idealfall reisen wir mit Zug, zu Fuß oder mit dem Autobus. Wie umweltschädlich Fliegen und der damit verbundene CO2-Ausstoß tatsächlich ist, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Lässt sich das Fliegen nicht vermeiden, kann der Flug mittlerweile recht unkompliziert kompensiert werden. Hier sollten wir darauf achten, dass gewisse Kriterien erfüllt werden. Der WWF gibt dazu ein paar Tipps. Einer davon ist bei der Auswahl der Kompensationsanbieter auf den „Gold Standard“ der Projekte zu achten.

 

Deprimierende Zahlen

Zur Erinnerung ein paar Zahlen, um die Relationen in Erinnerung zu rufen (berechnet mit dem Co2-Rechner atmosfair). Ein Flug von Wien nach Glasgow hat eine Klimawirkung von 932kg CO2. Zum Vergleich: Die Pro-Kopf-Jahresemission in Äthiopien beträgt 560 kg CO2. Das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen beträgt 1.500 kg. Ein Flug von Wien nach New York hat eine Auswirkung von 3.500kg. Es ist also alles in allem eine sehr ernüchternde Bilanz.

 

Warum Zugfahren

Für mich hat die Entscheidung für den Zug als Verkehrsmittel mehrere Gründe. Zuallererst ist da die gute Ökobilanz. Außerdem finde ich Zugfahren sehr komfortabel. Ich habe mehr Beinfreiheit als in Bus, Flieger und Auto und oft lockt ein Spaziergang in den Speisewagen. Die Landschaft rauscht durch die Fenster gut sichtbar vorbei, ganz ohne tristes Autobahngrau. Auch wenn der Schnellzug mit 300 km/h dahindüst ist es eine sehr entschleunigte Art zu reisen. Ich finde immer Zeit zum Musikhören, Lesen oder ich lasse einfach meine Gedanken schweifen. Mir gefällt es auch, durch unterschiedliche Länder zu kommen: Unterschiedliche Züge, unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Sprachen. 

 

Reiseplanung als Schnitzeljagd

Dadurch, dass Aktivität und Abenteuer für mich das wichtigste im Urlaub sind, fällt es mir nicht sehr schwer meine Reise nachhaltig zu planen. Ich bin lieber auf Fernwanderwegen unterwegs, als mich in einem Hotel verwöhnen zu lassen. Ich würde meinen, dass meine Unterkünfte (wie Zelt, Hütte oder rudimentäres Bettenlager) schon recht umweltverträglich sind. Wasserverbrauch, Müll und Konsum halten sich auch in Grenzen. Wann immer ich eine Reise plane, checke ich als erstes die Seite Rome2Rio. Das ist eine Plattform, in der ich jede Route weltweit planen kann, egal ob per Flugzeug, Bahn, Bus und Fähre.

 

Innerhalb von Europa lassen sich grundsätzlich sehr gut Bus- und Bahnverbindungen finden. Schwierig wird es, wenn ich auf einen anderen Kontinent möchte. Solange der Landweg möglich ist, ist aber auch das mit genug Recherche machbar. Inzwischen hat sich die Suche für mich zu einer unterhaltsamen Schnitzeljagd entwickelt. Ich will beispielsweise gerne einmal nach Nepal. Sollte ich einmal genug Zeit übrighaben, wäre das in 9 Tagen möglich- der transsibirischen Eisenbahn sei Dank. Durchzufahren ist unrealistisch. Ob es im Moment ratsam ist durch Russland zu fahren, ob ich mich an irgendeiner abgelegenen chinesischen Zugstation überhaupt zurechtfinde, ist natürlich eine ganz andere Frage. Aber vielleicht ergibt sich in Zukunft ja die Möglichkeit, dieses Abenteuer anzutreten.

 

2022: Auf nach Schottland

Mein letztes Reiseziel: Schottland. Im Sommer 2022 wollte ich mit dem Zug von Wien nach Glasgow fahren. Laut Plan sollte ich innerhalb von 22 Stunden an meinem Ziel ankommen. Tagsüber wäre ich mit ICE und Eurostar von Wien nach London gefahren und über Nacht von London nach Glasgow. Es kam dann leider ganz anders.

 

Ja, Ja. Deutsche Pünktlichkeit und der englische Charme

Dieser Sommer schien ein bisschen verflucht was Zugfahren betrifft. Kein Zug kam pünktlich. Die Deutsche Bahn ließ sich mit mehreren Verspätungen so lange Zeit, dass ich meine Anschlussverbindungen verpasste und erst 24 Stunden später in London eintraf. Dort geriet ich dann in den Zugstreik und war schon völlig verzweifelt. Zurück konnte ich nicht und weiter auch nicht. Zum Glück wurde ich von zwei mitleidigen Polizisten aufgegabelt, die erst kurz über meine Idee lachten, mit dem Zug durch Europa zu fahren. Sie halfen mir dann aber weiter und erklärten, dass es gute Busverbindungen gäbe.

 

Nach einer mühsamen Hostel-Suche, einen sehr langwierigen Einkauf von Campinggas, und einer sehr unbequemen Busfahrt erreichte ich schließlich 48 Stunden nach Plan mein Ziel.  Anstatt wie ursprünglich geplant, einen Tag Pause in Glasgow zu machen, um mich zu erholen, flüchtete ich richtiggehend auf den Ausgangpunkt meines Wanderweges. Noch mehr Verzögerungen habe ich mir nicht mehr zugetraut.

 

Der West Highland Way (154 Kilometer Fußweg von Glasgow nach Fort William in den Highlands) in Schottland war dann wunderschön. Ohne weitere Vorkommnisse wanderte ich sieben wunderbare Tage durch die schottischen Highlands. Ich lernte viele sehr nette Wanderbegeisterte kennen und war endlich dort angekommen, wo ich sein wollte: in meinen Wanderschuhen im Dauerregen. Typisch britisch eben.

 

Persönliches Fazit

Für mich geht es beim Reisen um das Maximum an Erlebnis, Minimum an Co2. Trotzdem möchte ich realistisch bleiben. Ich habe aktuell keine Kinder, kein Haustier und einen Beruf, indem ich mir meinen Urlaub zu jeder Jahreszeit frei einteilen kann. Ich bin bereit, sehr viel mehr Geld fürs Zugfahren auszugeben und ich bin bereit eine lange Anreise in Kauf zu nehmen. So kann ich meine Reise(n) möglichst nachhaltig und zeitlich flexibel gestalten.

 

Doch auch ich setze manchmal auf Effizienz, nämlich dann, wenn alles andere keinen Sinn macht. Im nächsten Urlaub möchte ich den portugiesischen Jakobsweg entlang der Küste gehen. Natürlich könnte ich mich insgesamt (hin und zurück) vier Tage in den Bus setzen, aber wenn ich nicht viel länger als zwei Wochen am Stück wegfahren kann und der Weg allein schon dreizehn Tage dauert, wird das schwierig.

 

Es gibt immer eine Alternative. Oder doch nicht?

Wenn ich mir ein Urlaubsziel aussuche, das ich (fast) nur mit dem Flugzeug erreichen kann, überlege ich mir vorher lange: Gibt es etwas ähnliches in der Nähe, was spricht dafür was dagegen? Bin ich dann vor Ort besonders nachhaltig unterwegs? Wenn ich mich dann trotz allem für das Ziel entscheide, bleibt es dann auch eine Weile bei der einen Flugdestination Ich muss nicht jedes Jahr fliegen und es muss auch nicht immer eine Langstrecke sein. Aber ein paar Ausnahmen müssen erlaubt sein. Niemand ist perfekt in seiner oder ihrer Co2-Bilanz.

 

Danke für deine Aufmerksamkeit, dass du diesen Artikel bis zum Schluss gelesen hast.

 

 

Konnex zu den SDGs (Auswahl):

  • Ziel 8 "Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern" 
    • Unterziel 8.9 "Förderung des nachhaltigen Tourismus"

 

Über die Person: Wenn Josefine Tacha nicht gerade ihre nächste Weitwanderung plant, arbeitet sie als Betreuerin im Obdach Wurlitzergasse und studiert Umweltpädagogik. Seit September 2022 ist sie als Projektmitarbeiterin beim IUFE angestellt. Innerhalb der SDGs ist ihr Inklusion und Gleichberechtigung ein besonderes Anliegen.