CSR ist eine Frage der Haltung

Unternehmensberater und Lektor Michael Bauer-Leeb über Corporate Social Responsibilty und nachhaltiges Wirtschaften.

Fotocredit: Miguel Dieterich

Seit fast 9 Jahren bestimmen nachhaltige Entwicklung und CSR mein Leben. Diese Jahre waren gleichermaßen von Hoffnung und Verzweiflung geprägt.

 

Einerseits habe ich große Hoffnung, einen Weg des anderen, besseren Wirtschaftens erreichen zu können. Einen Weg, der nicht durch rücksichtslose Ausbeutung von Ressourcen und Menschen gekennzeichnet ist, nur um den Profit noch ein Quäntchen weiter nach oben zu treiben, sondern Bedacht nimmt auf Endlichkeit und Fragilität von Umwelt und Gesellschaft. Diese Hoffnung wird genährt von unzähligen Unternehmen, Hochschulen, Vereinen, Organisationen und Individuen, die es heute schon anders machen.

Andererseits brechen immer wieder Frust und Verzweiflung aus, weil sich im Großen und Ganzen nichts tut. Alle globalen Indikatoren, die uns warnen, dass die Menschheit mit immer höherem Tempo auf irreversible Veränderungen mit gravierenden Auswirkungen zusteuert, steigen weiterhin exponentiell an. Exemplarisch ist das am Earth Overshoot Day abzulesen, der heuer bereits am 8. August begangen werden musste (zum Vergleich: 1987 war es der 19. Dezember).

 

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Das Wissen ist vorhanden. Warum also passiert nicht mehr? Was blockiert uns, um vom Wissen ins Tun zu gelangen?

Weil die Fakten nur ein Teil der Wahrheit – bzw. der Entscheidungsgrundlage – sind. Ein ebenso großer Teil wird von unseren Werten, unseren Glaubenssätzen, unseren Einstellungen mit beeinflusst. Wir sind eben nicht rein rationale, effiziente, Nutzen maximierende Homines oeconomici. Wir sind viel, viel komplizierter.

 

Was bedeutet das in unternehmerischem Kontext?

Auf den Punkt gebracht würde ich sagen, Nachhaltigkeit (und CSR als unternehmerischer Beitrag) ist eine Frage der Haltung, die sich aus Werten und Wahrnehmungen speist. Wahrnehmungen können manipuliert werden, und zwar soweit, dass sie aus objektiver Wirklichkeit eine „empfundene Wirklichkeit“ (perceived reality) formen. Das ist wichtig, weil die moderne Psychologie uns lehrt, dass „empfundene Wirklichkeiten“ maßgeblich menschliches Verhalten beeinflussen.

John Perkins, ehemaliger Wirtschaftsberater u.a. der Weltbank, formuliert dies folgendermaßen: “Ich habe einmal gelernt, dass ein guter CEO eine angemessene Rendite für die Aktionäre erwirtschaftet. Darüber hinaus stellt er aber auch sicher, dass das Unternehmen sich als gute Bürgerin auch um das Gemeinwohl kümmert. Das hat sich 1976 geändert, als Milton Friedman den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen und postuliert hat, die einzige Aufgabe eines Unternehmens bestünde in der Maximierung der Profite, egal, welche ökologischen und sozialen Folgen daraus entstünden. Diese Haltung wurde zur Wahrheit und schließlich zum alles definierenden Ziel von Unternehmen. Sie hat uns an den Rand des Kollapses geführt.“ (Auszug, eigene Übersetzung, Original).

 

Was ist also zu tun?

Ich will eine Antwort aus meiner Sicht als Unternehmensberater für Nachhaltigkeit (WEITSICHT – büro für zukunftsfähige wirtschaft) versuchen. Neben der Weitergabe von Wissen in Form von Informationen, Fakten und Daten müssen wir Unternehmen gleichermaßen zu Fragen der Unternehmenskultur beraten.

Es gilt, Werte und Haltungen zu hinterfragen und damit die „empfundene Wirklichkeit“ offen zu legen, welche Entscheidungen (mit)steuert. Dann kann es nämlich zu einem Vergleich mit der objektiven Wirklichkeit kommen. Dann kann Reflexion stattfinden. Und aus der Reflexion kann die Veränderung erwachsen, die wir so dringend brauchen.

Konkret heißt das, in einen Prozess einzutauchen, der aktuelle Entwicklungen in die Strategie einfließen lässt, welche wiederum mit den Werten, dem Leitbild des Unternehmens verglichen wird, die wiederum Einfluss auf die Strategie nehmen. Dabei kann es passieren, dass Unternehmen ihre Werte und ihre Haltung adaptieren, sich rückbesinnen auf die eigentliche Philosophie. So entsteht eine Spirale der Veränderung und Anpassung.

Tania Ellis hat in ihrem Buch The New Pioneers geschrieben, wir bräuchten einen Paradigmenwechsel vom „entweder/oder“ zum „sowohl/als auch“. Damit meint sie, sich vom Gedanken zu verabschieden, dass man sich als Unternehmen entweder ums Geschäft (und damit die Profite) kümmern oder etwas Gutes für Umwelt und Gesellschaft tun könne. Sondern zu erkennen, dass beides Hand in Hand geht. Womit wir wieder bei John Perkins und Milton Friedman wären. Vor 1976 war das ja auch schon möglich.

 

Zur Person: Michael Bauer-Leeb ist Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter von WEITSICHT – büro für zukunftsfähige wirtschaft. Er berät Unternehmen und Organisationen zur strategischen Verankerung von ganzheitlicher Verantwortung im Kerngeschäft. Darüber hinaus entwickelt er eigene Projekte, um Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen voranzubringen und lehrt nebenberuflich CSR, Social Entrepreneurship und Business Ethics an FH Krems und Donau-Universität Krems.